Donnerstag, 23. Januar 2003

Oh Kafka! An Tagen wie heute, wo einem bestätigt wird, dass sie alle wie die Fliegen wegsterben werden, selbst die eigenen Eltern, fühle ich mich Dir näher als je zuvor. Oh nein, geh doch nicht weg, bleibe noch ein wenig und erzähle mir von dem Mädchen, dass an den Zaun geklopft hat und von ihrem Bruder, der verurteilt wurde und von dem Hungerkünstler, dessen Beliebtheit so sehr zurückging in den letzten Jahren und über Josef K., der von vornherein endgültig verurteilte und von der Strafkolonie und deren unmenschlichen Tötungsmethoden.... danke, dass Du noch ein Weilchen bleibst. Ich mach Dir noch einen Tee und dann können wir reden, ja? Ja? Bitte sag doch endlich was.




Donnerstag, 9. Januar 2003

Über Charlotte Buff und den Werther als 'Verrat an ihrer Freundschaft'. "Die Zerstreuung, die Goethe ihr bietet, scheint der jungen Frau behagt zu haben, sonst hätte sie ihn nicht täglich empfangen. Aus dieser Zeit besitzen wir leider keine Selbstzeugnisse Charlotte Buffs. Aber Goethe verliebt sich, gefällt sich in der Pose des Leidenden, und dann kommt es zu jenem einzigen Kuss – einem Kuss, den Charlotte ihrem Verlobten natürlich sofort beichtet. Kestner schwankt sogar kurz, ob sie nicht vielleicht mit Goethe glücklicher werden könne. „Denn was ist Zuneigung, was ist Liebe aus Pflicht?“"

Hahah, giggle, so ein Item kann man natürlich nicht freischalten. Man stelle sich vor, dass das jemand (Klartext: SIE!) liest. Dann ruft sie wieder mit ihrer naiv wirkenden Stimme an und fragt mich, was denn mit mir los sei und ob wir Freunde sein könnten ("Nein, ich will mit Dir ins Bett, Du Dummerchen!"). Und dann soll ich ihr wieder alles erklären. Selbst das, was man nicht erklären kann, also auch meine Gefühle. Und dann verplappere ich mich wieder oder verspreche mich im Eifer des Wortgefechts und dann hat sie meine Eier wieder in einem Schraubstock und muss nur noch ein wenig zudrücken bis ich einen weiteren markerschütternden Schrei von mir lasse. Aber das wollte sie dann wieder nicht und es tut er sogar ein wenig leid, ja ja. Und ich glaube das dann wieder und von meinem anfänglichen Hass auf sie bleibt rein gar nichts übrig. Oder, eins schon, aber das verdreht sich im Nu in neue Liebe für sie, weil sie einfach so verdammt einzigartig, klug, schön und zu mir kompatibel ist. Denkt zumindest mein Herz. Mein Verstand macht da mal wieder auf Klugchecker und weiß wieder alles viel besser. Natürlich kann das mit uns nie klappen, weil sie sich in der Rolle des Fleischbatzen zu sehr gefällt. Sie will umschwärmt werden und nimmt dann auch schön den Nächstbesten und hat mit ihm eine Beziehung, oh, sie nennt dann das ein Verhältnis. Ja ja, den Unterschied hat sie mir genau erklärt. Genau wie damals, am Bergsee, wo wir über Schicksal (sie) und über den Zufall (ich) sprachen. Als ich sie dann küssen wollte und sie in ihre Tasche griff, hatte ich die Hoffnung, sie würde noch schnell ein Smind einwerfen, aber nein, sie holte nur noch ein paar Karotten raus, die konnten wir dann essen. Da saß ich dann da mit einer Karotte in der Hand, schaute auf den dunkelgrünen Bergsee mit seinen angekackten Enten und fühlte mich wie die Homoschwuchtel Bugsbunny. Dann, bei der Heimfahrt (sie fuhr -- großer Fehler -- Du musst die Zügel in der Hand haben), meinte sie, dass sie zum nächsten Festival fahren würde und ihr Ex-Freund (der, der sie stets als eine Trouphäe bezeichnete und wie Scheiße behandelte) sei auch dort. Und ja, sie würden gemeinsam hinfahren. Und mich durchfährt ein Stich, will nur noch Heulen und Weinen und aus dem Auto springen und mit der Vorstellung sterben, dass sie mich von den Steinen runterkratzt, an denen ich zerschelle und mir mein Hirn rausfetzt (wir fuhren gerade auf der Alpenstraße von I. nach R.). WTF meinte ich zu ihr dann, warum denn mit ihm, wo er dir so weh tat. Ja ja, meinte sie lapidar, sie komme einfach nicht von ihm weg. Ja ja, denke ich nur, Du unwiderstehlicher Batzen Fleisch, Du verdammt einzigartiges Mädchen, Du. Und du, du, du, du, ging's mir durch den Kopf, denn an jemand anderen konnte ich schon seit Monaten nicht mehr denken.




Donnerstag, 2. Januar 2003

Nun ist es also passiert. Zuerst kapselte er sich über fünf Monate von mir ab, mied jeglichen Kontakt, behandelte mich wie scheiße, richtete mich hinter meinem Rücken aus und verfasste ein halbes Dutzend Kurzgeschichten über Frauen, deren Charakter letztlich durchwegs bösartig war.

Und gestern war ich dann betrunken. La la... Feuerwerk, der ganze Trubel. Wir redeten dann. Zwei Stunde. Ich über meine depressive Mutter, die täglich vor dem Selbstmord steht und er über seine schizophren Mutter, der es dank intensiver Medikamteneinnahme mittlerweile wieder gut geht. "Wir beide haben kranke Mütter", musste ich anmerken. Er stimmte mir zu.

Nachdem wir uns eine halbe Stunde nur einige Zentimenter voneinander gegenüberstanden, gingen wir auf die Veranda. Wir standen uns ruhig gegenüber. Die Gesichter waren 10cm auseinander. Wir spürten den Atem des anderen. Wie früher.

"Du weißt, dass ich dich gleich küssen werde" fing er plötzlich einen Satz an. Ich war wie apathisch. Aber wollte ich denn nicht seit Monaten genau diesen Satz hören? Hat es mich nicht immer bis aufs äußerste fasziniert, dass er noch nie ein Mädchen geküsst hatte, dass ich die erste für ihn sei.

Er senkte seinen Kopf leicht zu mir herunter und drückte sanft seine Lippen auf meine. Und dann küssten wir uns eine dreiviertelstunde an allen möglich Stellen im Gesicht.

Wie fasziniert er von meiner Nase, den weichen Backen und den Adern auf meiner Zunge war!

Heute morgen hatte ich noch seinen Geschmack im Mund. Heute morgen war wohl alles endgültig vorbei.




Mir ist nur noch zum Heulen zu mute.




Mittwoch, 1. Januar 2003

Die Ereignisse überschlagen sich. Auch ich bin bereits dreimal gestolpert.




 
Autorin: Nina, 18, weiblich.

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